Fankrise beim KSC
Verfasser: Sepp Datum: 25.Mai 2009 Für mehr Verständnis zwischen den KSC-Fans
Beim letzten Heimspiel des KSC in der Saison 08/09 am 23. Mai 09 kam es in der zweiten Halbzeit zu unglaublichen Szenen. Eine lange im Untergrund brodelnde Antipathie der einfachen KSC-Fans gegen die Gruppierung der Ultras fand lautstarke Zustimmung aus den Blöcken A1, A4, C1, D1 und D2. Sicherlich haben sich auch noch andere Zuschauer im Wildparkstadion daran beteiligt, Hauptsächlich ist mir aber die Teilnahme an dieser Spontanaktion von Besuchern der o. a. Blöcke bekannt. Dies ist für mich der Anlass, die momentane Problematik in der Karlsruher Fanszene einmal genauer zu betrachten.
Die Ultras stimmten während des Spiels ein „Dohmen raus!“ an, nachdem aufgrund der 3:0-Führung in Cottbus feststand, dass der KSC definitiv absteigen wird. Dies wurde von den nichtorganisierten Fans mit Pfiffen quittiert. Ein zweiter Versuch aus der Ultra-Ecke wurde erneut mit Pfiffen niedergemacht und mit „Ultras raus!“ – Sprechchören beantwortet. Ein dritter Versuch der Ultras ging im - diesmal - grellen Pfeiforchester unter, gefolgt von noch lauteren „Ultras raus!“ – rufen. KSC-Fans gegen KSC-Fans! So was gab es noch nie.
Wer sich ein wenig mit den Geschehnissen in und um den KSC beschäftigt, kann vielleicht sogar nachvollziehen, warum die Ultras gut vernehmbar „Dohmen raus!“ fordern. Zum einen hat sich der Manager des KSC bereits im März 2008 den Unmut der Ultras zugezogen, als er nach dem Spiel in Stuttgart und den dort geschehenen Vorfällen das künftige Auswärtskartenkontingent überwachen wollte und Stadionverbote erteilte. Der KSC musste nach den Rauchbomben, Pyros und Leuchtraketen in und ums Stuttgarter Stadion eine nicht unerhebliche Strafe über 35.000 € begleichen.
Zum anderen kann von den Ultras (und nicht nur von ihnen) nicht nachvollzogen werden, warum Dohmen nach monatelanger Talfahrt noch immer am erfolglosen Trainer Ede Becker festhält, ihm sogar noch in der Winterpause eine Jobgarantie auch bei einem Abstieg in die zweite Liga gab. Jeder andere Verein hätte einen solch erfolglosen Trainer schon längst entlassen. Die Verantwortlichen des KSC hielten aber auch nach über 18-monatiger Erfolglosigkeit an Ede fest. Sicherlich hat Herr Becker einiges für den KSC geleistet, was ihm einen gewissen Kredit garantiert, aber hier ist man mit offenen Augen auf den Abgrund zugerast und hat auf ein Wunder gehofft.
Auch scheinbar willkürliche Stadionverbote wurden dem Manager angelastet, als im März 2008 die Mannschaft des KSC keine Unterstützung der Ultras mehr zugesprochen bekam, um ein Zeichen gegen die Aktionen Dohmens zu setzen. Damals stand der KSC auf dem sechsten Tabellenplatz und überraschte ganz Fußballdeutschland mit erfrischendem Spiel.
Zu etwa diesem Zeitpunkt begann das Unverständnis der einfachen, unorganisierten KSC-Anhänger gegenüber den Aktionen der Ultras. Immer wieder wurde mit Boykott der Unterstützung auf Unzulänglichkeiten hingewiesen, ohne aber ausreichend zu informieren. Während die Ultras sich Woche für Woche in Internetforen und gemeinsamen Treffen gegenseitig anstachelten, bekam der Durchschnittsfußballfan von all dem überhaupt nichts mit. Und er konnte auch nicht verstehen, wie es zu Ausschreitungen mit Polizisten kommen sollte, wenn man sich korrekt verhält. Ich kann von vielen Anhängern des KSC berichten, die schon 20 – 30 Jahre ins Stadion gehen und noch nie negative Erfahrungen mit Polizeibeamten machten. Der Unterschied liegt wohl daran, dass die Ultras meist in größeren Gruppen auftreten und somit sofort die Aufmerksamkeit erregen, während der „Normalo“ meist in viel kleineren Grüppchen unterwegs ist.
Die meisten Polizisten haben im Stadion, der Stadt und am Bahnhof die Ultra-Gruppen sofort im Auge und reagieren teilweise vorschnell oder überreizt. Da kann es dann schon einmal passieren, dass eine Gruppe, die nur vermeintlich zu den Ultras gehört, eingekesselt und für fast eine Stunde jegliche Entfernung vom Ort des Geschehens unter Androhung von Gewalt unterbunden wird. Selbst der Gang auf eine Toilette wurde bei solchen Vorfällen schon verboten und es spielten sich dabei auch schon teilweise Menschen entwürdigende Szenen ab. Daher ist es nachzuvollziehen, dass die Ultras auf derlei Missstände aufmerksam machen möchten. Jedoch ist es nicht nachzuvollziehen, warum gerade das Mittel des „Nichtsupport“ gewählt wird. Die Fußballmannschaft, die sich auf dem Platz mehr oder weniger schindet, hat nicht das Geringste mit dem Polizeiaufgebot am Bahnhof zu tun.
Eine weitere Aktion, die den Ultras zugeschrieben werden darf, ist das Aufhängen eines Transparents vor wenigen Wochen auf dem Trainingsgelände des KSC, auf welchem die Entlassung von Dohmen und Becker gefordert wurde. Aufgrund der Tatsache, dass das Transparent von einer Gruppierung schwarz gekleideter, teilweise vermummter, junger Menschen angebracht wurde, entschloss man beim KSC, die Polizei hinzuzuziehen, welche dann mit einem größeren Aufgebot anrückte... (editiert am 28.05.2009,15 Uhr)
Wer sich als „Normalo“ in einschlägigen Internetforen oder der Mailingliste direkt mit den Ultras austauschen möchte, wird oft aufgrund seiner Kritik schnell beschimpft, beleidigt oder es wird ihm ein mangelnder Intellekt vorgeworfen. Anstatt hier etwas selbstkritischer zu agieren, werden Tadler mundtot gemacht. Verbesserungsvorschläge werden lapidar als lachhaft abgestempelt. Ein ebenfalls sehr gerne verwendeter Begriff des „Ultra-Bashers“ zu verwenden ist genauso kontraproduktiv, wie die hier gerne vollzogene Schubladendenkweise gegenüber Leuten, die manche Ultra-Aktion hinterfragen.
So wurde zum Beispiel aufgrund der stagnierenden Stadionsituation der Vorschlag gemacht, mit einer gemeinschaftlichen Demonstration vor dem Karlsruher Rathaus die Notwendigkeit des Neubaus gegenüber den Stadtoberhäuptern zu verdeutlichen. Leider geschah nichts dergleichen. Im Gegenteil! Als im April 2009 eine wichtige Entscheidung pro Stadionneubau am Gleisdreieck im Rathaus hätte gefällt werden können, war kein einziger Vertreter der Karlsruher Fanszene zugegen. Jedoch fanden sich über 200 Kleingärtner ein, die lautstark gegen den Stadionneubau demonstrierten. Mit Erfolg, wie sich im Nachhinein herausstellte. Die Entscheidung für ein neues Stadion wurde erneut verschoben, da sich die Stadtoberen nach einer Abstimmung gegen eine endgültige Entscheidung und für eine erneute Berechnung aussprachen. Die Chance, sich hier als KSC-Fan „pro Stadionneubau“ positiv in der Öffentlichkeit zu präsentieren, oder sich vielleicht sogar mit den verunsicherten Kleingärtnern, welche aus Angst vor Randale in ihrer Siedlung gegen den Neubau eines Stadions in unmittelbarer Nähe sind, auszutauschen, wurde kläglich vergeben.
Ein weiterer Punkt, der die Identifikation der unorganisierten Fans mit den Ultras stark in Mitleidenschaft zieht, sind die meist spielunabhängigen Gesänge. Während ein Capo mit dem Rücken zum Geschehen nicht auf die aktuellen Spielzüge eingehen kann, werden minutenlange, gleichbleibende Sprechchöre angestimmt. Egal, ob der KSC gerade eine Ecke bekommt, oder der Gegner kurz davor ist, ein Tor zu schießen. Der emotionale Background ist derselbe. Ein Umstand, der schon sehr oft angeprangert wurde, jedoch noch keinerlei Änderung erfahren hat. Hinzu kommen verkomplizierte Gesänge, die von unterschiedlichen Klatschrhythmen begleitet werden. Es ist einem schier unmöglich dem Spielgeschehen zu folgen und gleichzeitig fehlerfrei an solchem Support teilzunehmen. Daher gehen viele Zuschauer den Weg des schweigenden Fußballkonsumenten statt des aktiven Fans.
Die Ultras hingegen stecken sehr viel Kraft und Emotionen in ihre selbst gewählte Aufgabe, die Mannschaft bei jedem Spiel zu unterstützen. Auswärtsfahrten nach Berlin, Bremen oder Hamburg werden ohne mit der Wimper zu zucken auf sich genommen. Natürlich mit allen dazugehörigen Kosten, dem Zeitaufwand und dem manchmal benötigten Urlaub. Der Jahresurlaub wird stets in Belek gebucht, wo der KSC sein Trainingslager abhält und dabei auch mal kurzfristig den Termin verschiebt. Bis zu einem gewissen Grad ist es dann auch nachzuvollziehen, dass eben diese Ultras ein Mitspracherecht in bestimmten Dingen einfordern. Trotzdem bleiben sie immer noch „nur“ Fans und sind kein Teil der Mannschaft. Ihr Engagement ist freiwillig und sollte nicht an Bedingungen geknüpft sein. Jedoch ist es nachvollziehbar, wenn sie sich über Polizeiwillkür, unberechtigte Stadionverbote und einen Manager echauffieren, der untätig mit ansieht, wie der Verein in die zweite Liga absteigt.
Das größte Manko bei den Differenzen zwischen Ultras und nichtorganisierten Fans liegt wohl einfach an der falschen Informationspolitik. Die Nicht – Ultras verstehen nicht, warum die Ultras so handeln. Und diese beschweren sich über das Unverständnis, statt die Möglichkeiten, die ihnen vorliegen (Internet, „Blockschrift“) zu nutzen.
Dass meine hier aufgezeigten Fakten nicht das Erlebte eines Einzelnen, sondern das vieler – wahrscheinlich sogar der meisten - KSC-Fans ist, zeigte wohl deutlich die Reaktion der Nicht - Ultras beim Spiel gegen Berlin. Ich glaube, solche Vorkommnisse sind im deutschen Fußball einmalig und bedürfen eines dringenden Handelns, denn sonst bricht die Karlsruher Fangemeinde bald komplett auseinander und das kann wohl niemand, der sich mit dem KSC identifiziert, wirklich wollen. Eine gespaltene Fanszene hilft niemandem.
Nutzen wir die vor uns liegende Sommerpause und arbeiten wir daran, dass Ultras und nichtorganisierte Fans wieder gemeinsam für unseren Verein kämpfen! Alles andere ist kontraproduktiv.
Blau und weiß ein Leben lang!