Konzentrationslager Sachsenhausen

Herschel Grynszpan war ein polnischer Jude, der nach seiner Flucht nach Frankreich erfuhr, dass seine Eltern und seine Geschwister zwangsdeportiert worden waren. Als er Einzelheiten über diese Gräueltaten erfuhr, kaufte er sich eine Pistole und ging am 7. November 1938 in die deutsche Botschaft in Paris, wo er den Botschaftssekretär Ernst von Rath im "Namen der mit seiner Verwandtschaft deportierten 12.000 Juden" erschoss.

 

Grynszpans Attentat war in Deutschland auf Geheiß von Joseph Goebbels Aufmacher in allen Zeitungen und diente als Vorwand für die Novemberpogrome 1938. In der Folge wurden über 6 Millionen Juden von den Nationalsozialisten zum Großteil in Konzentrationslagern ermordet.

 

Eines von diesen Konzentrationslagern liegt in Sachsenhausen, in der Nähe von Berlin. Dieses KZ habe ich besucht und möchte hier darüber berichten, um einen kleinen Teil dazu beizutragen, dass dieser dunkle Teil der Geschichte nie in Vergessenheit gerät.

 

Unvorstellbares Leid

Zwischen 1936 und 1945 waren im KZ Sachsenhausen über 200.000 Menschen inhaftiert. Wo zuerst überwiegend deutschstämmige "Berufsverbrecher", "Asoziale", Juden, Sinti und Roma, sowie Homosexuelle inhaftiert waren, kamen nach Beginn des zweiten Weltkriegs immer mehr Häftlinge aus den besetzten Ländern hinzu.

 

In Arbeitslagern mussten die Inhaftierten bei der 2,3 Kilometer entfernten Lehnitzschleuse in Oranienburg das weltweit größte Ziegelwerk errichten, um Baustoffe für die gigantischen Nazi-Bauwerke herstellen zu können. Andere Häftlinge mussten im "Schuhläuferkommando" tagelang mit schwerem Gepäck auf einer Schuhprüfstrecke die Tauglichkeit von Schuhsohlenmaterialien zu testen um den Appellplatz marschieren.

 

Durch die fatalen Umstände verhungerten zahlreiche Insassen oder starben an Krankheiten. Sie wurden Opfer von Misshandlungen und medizinischen Versuchen, oder ließen bei systematischen Vernichtungsaktionen ihr Leben. 1941 wurden mindestens 13.000 sowjetische Kriegsgefangene in eigens dafür gebauten "Genickschussanlagen" und bei der Erprobung von Gaswagen von der SS getötet.

 

Obduktionstische der "Pathologie"
Obduktionstische der "Pathologie"

Unzählige Häftlinge fielen der Devise "Vernichtung durch Arbeit" zum Opfer. Zehntausende wurden zu Zwangsarbeiten  in den SS-eigenen Betreiben wie "Deutsche Erd-und Steinwerke GmbH", oder " Deutsche Ausrüstungswerke" herangezogen. Auch in den über 100 Außenlagern wurde die Kriegsproduktion ab 1942 vorangetrieben, wo große Unternehmen wie Allgemeine Elektrizitäts-Gesellschaft (AEG), Siemens & Halske, DEMAG-Panzerwerk, Daimler-Benz-Werke und IG-Farben von der Häftlingsarbeit profitierten.

 

Am 20. April 1945 befand sich die Rote Armee auf dem Vormarsch auf das Lager. Über 33.000 Häftlinge wurden zu Marschkolonnen zusammengefasst und in Richtung Ostsee getrieben. Bei diesem "Todesmarsch" kamen über 6.000 Gefangene ums Leben. 

 

Weiterer Horror unter russischer Herrschaft

Gefängniszelle
Gefängniszelle

Ab August 1945 wurde das KZ dann vom sowjetischen Geheimdienst "Volkskommisariat für Innere Angelegenheiten" (NKWD) als "Speziallager 7" zur Internierung von ehemaligen Funktionären der NSDAP, Verurteilten der sowjetischen Militärtribunale aber auch für willkürlich Verhaftete genutzt. Über 12.000 Menschen starben bis 1950 - der Schließung des sowjetischen Speziallagers - an Unterernährung und Krankheit. Einige Inhaftierte waren über Jahre "präventiv Verhaftet" oder wurden über Jahre ohne formelles Gerichtsurteil eingesperrt.

 

An der Unterschiedlichkeit der Häftlingsgruppen und der Multifunktionalität der Speziallager wird erkennbar, dass sie aus der Sicht der sowjetischen Besatzer nicht nur ein Instrument der Säuberung Deutschlands von den Nationalsozialisten waren, sondern vor allem auch dazu dienten, das sowjetische Machtmonopol durch präventive Verhaftungen, abschreckende Willkür und politisch Verfolgung durchzusetzen.

 

Die katastrophalen hygienischen Verhältnisse, Mangel an Nahrung und Medikamenten, Kleidung und Heizmaterial führten zu Krankheiten, Epidemien und Massensterben, das 1947 seinen Höhepunkt erreichte. Wegen der fast vollständigen Isolation von der Außenwelt heißen die Speziallager auch "Schweigelager". Sie waren keine Arbeitslager. Nur wenige Häftlinge konnten in Arbeitskommandos der Tatenlosigkeit und Monotonie des Barackenalltags entrinnen. In der Erinnerung der Zeitzeugen waren gerade Untätigkeit und Langeweile besonders zermürbend.

 

 

dreistöckiges Etagenbett aus den Häftlingsbaracken
dreistöckiges Etagenbett aus den Häftlingsbaracken

 

 

 

14. Juli 2022